Das Fließen des Verkehrs, das Pulsieren der Lichter, die Taktung der Bahnen im Bauch der
Stadt, Menschen, still oder in Bewegung, atmend. Jede Stadt hat ihren Rhythmus. Einem
Organismus gleich, bewegt sie sich und bewegt. Inmitten dieses großen Ganzen, schafft die
Begegnung von Yui Kawaguchi und Aki Takase einen Mikrokosmos. Wie unter einer Lupe
spiegelt sich das Große im Kleinen und es erscheint eine neue, utopische Stadt – die Stadt
im Klavier.
Der Konzertflügel ist das zentrale Organ dieses Abends. Aki Takases virtuose Beherrschung
des gesamten Klangkörpers löst das Instrument akustisch in seine Einzelteile auf und stiftet
Verbindungen zwischen verschlungenen Harmonien, isolierten Tönen und manipulierten
Timbres. In diese Klangsphären taucht Yui Kawaguchi ein und formt durch die Körperlichkeit
des Tanzes neue Strukturen und physische Räume. Ein Dialog beginnt, ein Spiel zwischen
zwei starken Persönlichkeiten und zwei expressiven Kunstformen.
In ihrer fünften „Stadt im Klavier” setzen sich Yui Kawaguchi und Aki Takase intensiv mit
dem Spannungsfeld zwischen strenger Disziplin und freiem Handeln im künstlerischen wie
urbanen Kontext auseinander. Ihre temperamentvolle Begegnung von Tanz und Musik
erarbeiten sie im konzentrierten Wechselspiel zwischen Komposition, Choreografie und
Improvisation. Die Anregung zu Cadenza kommt daher namensgebend zunächst aus der in
der westlichen Konzertgeschichte etablierten Kadenz als Zwiegespräch zwischen Ordnung
und Freiheit, einem funktionalen Regelsystem und dem Drang nach seiner Aufbrechung.
Ähnliche Konflikte prägen auch unser Stadtleben, wenn uns unsere sinnliche Wahrnehmung
nur noch als Folge industrieller Rationalität erscheint. Sehend, hörend, tastend oder riechend
verarbeiten wir heute von allen Seiten rasant auf uns einwirkende Reize wie im Dominoeffekt.
Zur Inspiration dieses an der Schwelle zwischen Struktur und Unberechenbarkeit
balancierenden Duetts dienen dabei Spielideen und Spielorte gleichermaßen. Denn auch im
Bühnenraum spiegelt sich diese Ambilvalenz wider, wenn sich mit der Kugel der wohl fluchtigste aller Körper in das Geschehen einschleicht und unversehens in eine Kettenreaktion verwickelt wird...
Konzept / Choreographie / Tanz: Yui Kawaguchi
Konzept / Komposition / Musik: Aki Takase
Bühnenbild: Yui Kawaguchi / Lab612 und Modellbau T. Kraus
Licht / Technische Leitung: Fabian Bleisch
Kostüm: SADAK
Presse: Ruth Hundsdoerfer
Produktions Leitung: Marie Henrion
Produktion Japan: Satoko Suchi
- PREMIERE in Berlin -
10./11./12. May 2013
Sophiensaele Berlin
- weitere Vorstellungen -
2013
Philharmonie Luxembourg (Luxembourg) :24. Mai
Centrum Kultury Agora, Wroclow (Poland) :21. Juni
Kochi Museum of Art (Japan) :24 & 25 August
Kyoto Art Center (Japan) :28 August
2014
Sophiensaele Berlin (Germany) :5.-7.Februar
International
Dance Festival Vancouver (Canada) :21.&22.Märzs
Osterfestival Tirol (Austria) :5.April
2015
28. Internationale Theaterhaus Jazztage, Stuttgart (Germany) :3.April
2016
In Between Festival, Narodowe Forum Muzyki, Wrocław (Poland) :21.September
Yui Kawaguchi – Tänzerin, Choreographin
Geboren in Japan. Sie beginnt im Alter von sechs Jahren zu tanzen. Über die Jahre erprobt sie
verschiedene Tanztechniken und studiert Tanz, Theater und Gesang in Tokio. Als Tänzerin arbeitet sie u.a. bei H.art.chaos, Kota Yamazaki rosy,co. und Motoko Hirayama und ist in Japan, den USA und Europa zu sehen. 2001 entwickelt sie die Choreographie für die Ostasien Olympia Eröffnungsfeier, es folgt die Zusammenarbeit mit der Media drive-unit cell/66b und Einladungen zur ARS Electronica, zum Seoul International Dance Festival sowie zur Japan Virtual Reality Conference. Seit 2005 tanzt Yui Kawaguchi in Berlin bei Ismael Ivo, Helena Waldmann, Tomi Paasonen, Michaela Lucenti, Nir de Volff, den Flying Steps und Nico and the Navigators. Parallel dazu erarbeitet sie ihre eigenen Stücke, mit denen sie als Tänzerin zu internationalen Festivals eingeladen wird. 2006 erhält sie den Jurypreis bei der “Yokohama solo×duo<competition+>“ und 2008 wird ihr Solo „REM – the Black Cat“ im Neuen National Theater Japan aufgeführt. Im selben Jahr startet sie das Forschungprojekt „HEREing
Loss“ mit Dr. Junji Watanabe und Kyosuke Sakakura. Für ihr Duo mit der Jazz-Pianistin Aki Takase „Die Stadt im Klavier – Forte“ wurde sie vom Tanzkritiker Arnd Wesemann (ballet-tanz) als Tänzerin des Jahres 2009 gewürdigt. Ihr Solo „andropolaroid“ wurde mit dem kölnischen Tanztheaterpreis 2010 ausgezeichnet. Sie gehört zur Originalbesetzung des mit dem Echo-Klassik-Sonderpreis 2010 ausgezeichneten Projekts „Red Bull Flying Bach“, mit dem sie auf Welttournee geht. 2011 brachte sie ihr Duo „Bubble Boxing“ in Kooperation mit dem Theater-51grad.com zur Uraufführung.
Aki Takase – Pianistin, Komponistin
Geboren in Japan. 1972 beginnt sie ihre professionelle Karriere als Pianistin und Komponistin. Es entstehen Zusammenarbeiten mit namhaften japanischen Musikern wie Takeo Moriyama und Nobuyoshi Ino in unterschiedlichen Ensembles. Ab 1978 folgt ein längerer Aufenthalt in den USA, wo sie zahlreiche Konzerte und Schallplattenaufnahmen u.a. mit Dave Liebman, Cecil Mcbee, Leister Bowie, John Zorn und Joe Henderson verwirklicht. 1981 hat sie ihren ersten Auftritt in Deutschland beim Berliner Jazzfest in der Philharmonie. Kooperationen entstehen mit den Bassisten N.H.Ö. Pedersen und Miroslav Vitous sowie Musikern des europäischen New Jazz u.a. Evan Parker, Han Bennink, Tristan Honsinger und Tony Oxley. Zwischen 1990 und 2008 erhält sie zahlreiche Preise der Deutschen Schallplattenkritik, zudem 1999 den Kritikerpreis der Berliner Zeitung und 2002 den SWR Jazz- Preis des Jahres. Von 1997 bis 2000 ist sie Gastprofessorin an der Musikhochschule in Berlin.
Derzeitig arbeitet sie mit Louis Sclavis, Rudi Mahall, Silke Eberhard, David Murray und Alex v.
Schlippenbach zusammen und realisiert gelegentlich Projekte mit dem “Fats Waller Projekt”, “LOK.03” sowie “Aki and the Good Boys”.
Tanznetz, 4 June 2013
"WIRBELWIND UND TASTENGEWITTER" von Franziska Buhre
Die beiden Japanerinnen Yui Kawaguchi und Aki Takase setzen im fein aufeinander abgestimmten Zwiegespräch ihre Erfolgsreihe fort.
Wie verhält sich ein Leichtgewicht von der Statur einer kleinen Tänzerin zu diesem mächtigen Konzertflügel, der in „Cadenza“ unverrückbar in der Mitte der Bühne steht? Yui Kawaguchi zieht mit Leichtigkeit alle Register ihres Könnens. Anders wäre sie dem herausfordernden Klavierspiel von Aki Takase, ebenfalls Japanerin aber fast doppelt so alt wie die Tänzerin, buchstäblich kaum gewachsen. Seit sechs Jahren entwickeln die beiden ihre Zusammenarbeit unter dem Titel „Die Stadt im Klavier“ und „Cadenza“ ist nun ihr fünfter Streich. War die Annäherung von Tanz und improvisierter Musik anfangs noch von Zurückhaltung geprägt, setzen Takase und Kawaguchi mittlerweile unbeschwert zum Zwiegespräch an...
Takase spielt ein Solo, in dem sowohl auskomponierte, als auch improvisierte Musik zu hören ist. Genau diese beeindruckende Fähigkeit der Pianistin, den Gedankenfluss oder das Gesehene ad hoc in die eigene Klangsprache zu übertragen, legt einen eigentümlichen Hohlraum zwischen dem Tanz und der Musik offen...
Berliner Zeitung, 8 May 2013 von Michaela Schlagenwerthh
… Als die Jazzpianistin Aki Takase und die Tänzerin Yui Kawaguchi 2008 erstmals für ein gemeinsames Stück mit dem eigentümlichen Titel "Die Stadt im Klavier" auf die Bühne gingen, hätten sie wohl selbst nicht geglaubt, wie künstlerisch ergiebig und wie erfolgreich ihre Zusammenarbeit werden würde. Eine Pianistin und eine Tänzerin: Das klingt verdächtig nach einem dieser Abende mit überanstrengtem Avantgardeanspruch. Doch bei Takase und Kawaguchi muss man sich da nicht sorgen. Kunstsinniges Getue ist ihnen fremd. Mit Witz, Konzentration und Ernsthaftigkeit begeben sie sich mittlerweile zum fünften Mal in einen Dialog, der das Verhältnis von Musik und Körper, Klang und Raum erkundet. Nachdem es in ihrer letzten Arbeit um die "Chaconne" ging, wenden sich die zwei in ihrer neuesten Arbeit in den Sophiensaelen nun einem anderen musikalischen Phänomen zu, der Kadenz. "Cadenza - Die Stadt im Klavier V" lautet der Titel, und bei aller tiefen musikalischen Durchdringung nähern sich die Musikerin und die Tänzerin der Sache wieder aus überraschenden Perspektiven. Zwei Grenzgängerinnen auf einer gemeinsamen Reise, unterwegs zwischen den unterschiedlichsten Kulturen und Künsten ...
Tanzraumberlin, May 2013
"Stadtutopie als Performancepoesie - Tanz, Klavier und zwei Virtuosinnen" von Anna Volkland und Mariama Diagne
… Yui Kawaguchi ist laut der Fachzeitschrift tanz eine der "besten Tänzerinnen der Hauptstadt", beweglich, anmutig und schnell wie wenige. Deshalb macht sie auch in fast jedem Umfeld eine gute Figur – allein unter Opernsängern (Nico and the Navigators) oder unter Hip Hoppern (Flying Steps). Sie tanzt auch gern neben anderen Solisten – vorrangig der Jazzpianistin Aki Takase. Ihr fünfter gemeinsamer Abend der 2008 begonnenen Reihe Die Stadt im Klavier heißt "Cadenza". Die Konzertkadenz beschreibt den Moment, in dem das Orchester schweigt und der Pianist zum Solo ansetzt, indem also das Aus-der-Ordnung-Fallen vorgeführt wird und Teil der Ordnung bleibt. Als Sinnbild des urbanen Lebens kann das gelten und als strukturelles Motto des Abends, dessen Choreografie und Komposition von Improvisation unterwandert werden. Was sonst erzählt wird über die Stadt an diesen Abenden? Es gibt in ihr genug Raum, dass sich zwei multitalentierte Solistinnen nebeneinander verausgaben können ...
Eine Produktion von Yui Kawaguchi und Aki Takase in Koproduktion mit den Sophiensaelen Berlin, dem Museum of Art, Kochi (Japan) und der Philharmonie Luxemburg. In Kooperation mit dem Centrum Kultury Agora Wroclaw, dem Osterfestival Tirol und Nico and the Navigators. Gefördert aus Mitteln des Hauptstadtkulturfonds.